Welche Wirkung fruchtbare Kollaborationen zwischen Start-Up, Forschungsinstitut und Produktionsunternehmen haben können, zeigt der interdisziplinäre Entwicklungsprozess der Circleg-Beinprothese. Eine Geschichte über erfolgreiche Kollaborationen mit viel Innovationspotenzial.

Project Circleg ist ein schweizerisch-ostafrikanisches Sozialunternehmen, welches ein geeignetes Prothesensystem für Menschen in Ländern mit niedrigen bis mittlere Einkommen entwickelt. Dabei verfolgt das junge Start-Up einen ganzheitlichen Ansatz, welcher nebst einem qualitativ hochwertigen Produkt auch den Aufbau einer lokalen Produktion nach Prinzipien der Kreislaufwirtschaft sowie die Entwicklung neuartiger Finanzierungsmöglichkeiten beinhaltet. Dieses Vorhaben hat das Potenzial, viele Leben positiv zu verändern: Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass weltweit 35 bis40 Millionen Menschen auf eine prothetische oder orthotische Versorgung angewiesen sind. Aktuell kann sich jedoch nur einer von zehn Betroffenen eine Beinprothese leisten.
Kollaboration als Schlüssel
Eine Beinprothese aus rezykliertem Kunststoff zu entwickeln und sie in einem angepassten Massenproduktionsverfahren herzustellen, ist eine grosse Herausforderung. Das Material sowie die Produktionsmethode müssen hohen technischen sowie funktionalen Anforderungen genügen, damit die Prothesen längerfristig genutzt werden können und die Produktion nachhaltig funktioniert. Zudem müssen die Produktionsmethoden dem lokalen Kontext der Länder angepasst werden, in denen die Prothesen später zum Einsatz kommen sollen: In einem ersten Schritt sind dies die ostafrikanischen Länder Kenia, Uganda, Rwanda und Tansania. Die genannten Faktoren führen also zu einer komplexen Problemstellung, zu deren Lösung es einerseits spezifische Expertise im Bereich der Kunststofftechnik und -produktion bedarf und andererseits kompetente Kollaborationspartner, welche Offenheit, Flexibilität und Innovationslust mitbringen. Aufgrund dieser Kriterien sind schlussendlich die Kollaborationen zwischen Project Circleg und dem Institut für Kunststofftechnik der Fachhochschule Nordwestschweiz sowie dem Spezialisten für die Produktion technischer Kunststoffteile WAG Wernli AG in Gränichen entstanden.
Simone Battaglia (FHNW) giesst das Material für die Produktion in den Konus, bevor es im Ofen erhitzt wird. Das vorbereitete Material wird in die Gussform gelegt, wo es danach zu einem Prothesenkomponente gepresst wird. Produzierte Teile der Beinprothese werden in Bezug auf die Qualität genau überprüft.
Positive Resultate
Das Institut für Kunststofftechnik vereint eine Vielfalt an Kompetenzen, die nicht nur in die Lehre auf Bachelor- und Masterstufe, sondern auch in die angewandte Forschung mit Industriepartnern fliesst. Die Kollaboration mit Project Circleg hat Im Rahmen einer Bachelorarbeit begonnen, in der die verschiedenen Materialeigenschaften des rezyklierten Kunststoffes aus Ostafrika analysiert und getestet wurden. Zudem wurde eine ausgewählte Komponente der Circleg Prothese mit dem mit Langglasfasern angereichertem Kunststoff hergestellt und strukturell getestet. Unter der Leitung von Prof. Dr. Christian Rytka, Gruppenleiter Kunststoffverarbeitung und Nachhaltigkeit, konnte der Student Simone Battaglia vielversprechende Resultate präsentieren: «Wir konnten zeigen, dass eine repräsentative Strukturkomponente des (Circleg)-Systems erfolgreich durch Transfermolding unter Verwendung von mit Glasfasern angereichertem recyceltem Kunststoff aus Kenia hergestellt werden kann.» Diese positiven Resultate waren die Basis für die erfolgreiche Weiterentwicklung des Circleg Prothesensystems.
Kompetenz und Flexibilität
Wie bereits erwähnt, spielt nebst den richtigen Materialcharakteristiken der Produktionsprozess eine zentrale Rolle in Bezug auf die Qualität und effektive Performance des Produktes. Als traditionsreiches Unternehmen mit viel Expertise in der Entwicklung, dem Testen und der Produktion von technischen Kunststoffteilen bot sich WAG Wernli AG als idealer Partner in diesem Bereich an. Die Herausforderung war, eine Prothesenkomponente herzustellen, welche besonders hohen Beanspruchungen genügen muss und gleichzeitig individuell auf die spezifischen Masse der Betroffenen angepasst werden kann. Der Entwicklungsprozess verlangte ein grosses Mass an Kompetenz und Flexibilität von dem Team von WAG Wernli AG, da sich die Gegebenheiten durch die unzähligen Iterationen oft veränderten.
Von der Idee, über die Werkzeuggestaltung bis hin zu der effektiven Produktion der Teile hat sich eine intensive und unkomplizierte Kollaboration entwickelt. Rafael Wernli, Verwaltungspräsident von WAG Wernli AG sieht viel Positives in solchen Kollaborationen: «Dank unserer Nähe zu Materialherstellern und der Wissenschaft konnten wir Project Circleg während dem gesamten Innovationsprozess mit unserer Expertise begleiten und somit gemeinsam sehr erfreuliche Resultate erzielen».
Die Produktionsresultate konnte das Circleg Team dieses Jahr in einer Pilotserie erfolgreich mit Menschen mit einer Beinamputation in Ostafrika testen.
Die Moral dieser Geschichte könnte sein, dass es für die Lösung komplexer Problemstellungen die Intelligenz, Erfahrung und das Wissen von unterschiedlichen Parteien benötigt und dass durch diese proaktiven Kollaborationen, nebst Innovation, ein Mehrwert für alle Beteiligten entstehen kann.
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