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Design & Technology

Ein Blickfang, der das Hirn trainiert

Drei Studierende des Studiengangs Mechatronik Trinational haben für einen Wettbewerb ein mechatronisches Spiel mit doppeltem Nutzen entwickelt: Als «Eye-Catcher» für Studierendenmessen – und als Hilfsmittel bei der Neuro-Rehabilitation motorisch eingeschränkter Patienten.

Ein bunter Blickfang mit doppeltem Nutzen: Der «Eye-Catcher»

Im trinationalen Mechatronik-Wettbewerb «Trinatronics» messen sich länderübergreifende Studierendenteams aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz. Die Aufgabe: Innerhalb von zwei Monaten ein mechatronisches System zu realisieren. Neben den technischen Aspekten fliessen bei der Bewertung auch Faktoren wie Kreativität, Innovation, Wirtschaftlichkeit und gesellschaftlicher Nutzen mit ein; bewertet werden die Projekte aus einer dreiköpfigen Jury, die aus den drei beteiligten Ländern stammt.

Morgan Farnworth, Michiel Kindt und Michael Schaetzel studieren im sechsten Semester im trinationalen Studiengang Mechatronik der FHNW, der Université Haute Alsace und der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. Sie entschlossen sich, am Wettbewerb teilzunehmen. «Unser Ziel war von Anfang an, einen kreativen Beitrag mit gesellschaftlichem Nutzen einzureichen – und explizit kein weiteres Fahrzeug, das Aufgaben löst», sagt Michael Schaetzel.

Die drei Studenten entwickelten für ihr Projekt «Eye-Catcher» ein Konzept mit doppeltem Nutzen: Einerseits ein interaktives und visuell ansprechendes Ausstellungsobjekt für Studierendenanlässe, um bei den Besuchenden Interesse für die Ingenieursdisziplin und den Studiengang Mechatronik zu wecken. Andererseits soll der «Eye-Catcher» in der Neurorehabilitation als therapeutisches Hilfsmittel dienen, um Menschen etwa nach einem Schlaganfall auf spielerische Art zu helfen, die Motorik und die Augen-Hand-Koordination wiederherzustellen. Unterstützung erhielten sie dabei von Studiengangleiter Prof. Dr. Robert Alard, der auch Kontakte vermittelte. Er freut sich über das motivierte Team: «Es ist ein tolles und ansprechendes Projekt, das neben dem spielerischen Nutzen künftig auch einen therapeutischen Nutzen haben könnte.»

Spielend die Koordination trainieren

Das Resultat ist ein interaktives mechatronisches Ballspiel. Es besteht aus einer aus Wand mit drei Holzpaneelen, in die 30 bunt beleuchtete Fangringe eingelassen sind, und einem intelligenten Ball. Ein Auswurfsystem wirft dem Spieler den Ball zu, der in einer Farbe aufleuchtet. Der Spieler muss in der Wand den Fangring finden, der in derselben Farbe leuchtet, und den Ball in den entsprechenden Ring werfen.

«Der Ball war der Projektteil, der die meisten Prototypen und Tests erforderte», erklärt Morgan Farnworth. «Er muss zahlreiche verschiedene Funktionen erfüllen – etwa angenehm in der Hand liegen, Licht streuen, mit der Hauptstation kommunizieren, autonom und wiederaufladbar sein, robust genug sein, um wiederholte Stösse zu absorbieren und leicht genug sein, um geworfen werden zu können.» Um all die funktionellen Komponenten sicher im Ball befestigen und schützen zu können, entwarf das Team ein Elektronikgehäuse aus PLA und eine Aussenhülle aus hartem TPU.

Der Ball mit Innenleben: Er muss viele verschiedene Funktionen erfüllen.

Die Ringe müssen einerseits die Blicke der Messebesuchenden auf sich ziehen, andererseits genug robust sein, um zahlreichen Ballwürfen standzuhalten. Das Team hat die Struktur der Ringe deshalb so optimiert, dass sie gleichzeitig mechanisch robust sind und das Licht der eingebauten LED-Rings visuell ansprechend streuen.

Für die letzte Komponente – die Wurfautomatik – führten die angehenden Mechatronik-Ingenieure zunächst eine Marktrecherche durch, um zu evaluieren, wie bereits existierende Systeme aufgebaut sind. Die meisten folgen demselben Grundkonzept: zwei Räder, die den Ball von beiden Seiten beschleunigen, sowie eine Leitung, die den Ball zu den Rädern führt. «Nach diesem Prinzip funktioniert auch unser Wurfsystem, wir haben es allerdings so erweitert, dass der Ball aufgrund der variablen Motordrehzahl einer zufälligen Flugbahn folgt», erklärt Michiel Kindt.

Der bewusste Schritt aus der Komfortzone

Das intensive Projekt hat das Team weitergebracht – sowohl technisch als auch persönlich. «Die enge Zusammenarbeit im Team hat sehr gut geklappt», sagt Michiel Kindt. «Wir haben gelernt, uns gegenseitig zu vertrauen und auch offen und ehrlich zu kommunizieren, wenn etwas schiefläuft.» Zwar wurden die Aufgaben aufgeteilt, doch die grossen Entscheidungen fällte das Team gemeinsam. «Zum Glück leben wir alle innerhalb eines Radius von 10 Kilometern – so konnten wir einfach aufs Velo steigen und uns treffen.»

Die drei bringen unterschiedliche Hintergründe und Fähigkeiten mit. Doch das Team hat bewusst entschieden, sich aus der Komfortzone herauszubewegen. Michiel Kindt hat etwa einen Hintergrund in Informatik. Doch bei der Entwicklung des Programmcodes übernahm er nur eine Mentorrolle und liess seine Teamkollegen den grossen Teil der Arbeit machen. Dasselbe bei der Konstruktion: als Polymechaniker brachte Morgan Farnworth seine Erfahrung aus der Werkstatt und bei der Arbeit mit CAD-Programmen für den Detailentwurf der Konstruktionsteile mit ein, die Ausführung wurde aber auch hier aufgeteilt.

Katze Carlos unterzieht den Ball dem ultimativen Härtetest.

Ein Endspurt mit Punktlandung

«Es war eine Teamarbeit, wie sie sein sollte – wenn es so gut funktioniert, würde ich gerne so arbeiten», fasst Michael Schaetzel die Erfahrung zusammen. «Allerdings dürften es etwas weniger Arbeitsstunden in der Woche sein», ergänzt sein Teamkollege Morgan Farnworth mit einem Augenzwinkern. Vor allem gegen den Abgabetermin hin war die Arbeit am Projekt sehr intensiv.

Denn um möglichst flexibel verschiedene Prototypen austesten zu können und Parameter laufend optimieren zu können, beschloss das Team, die Komponenten mit dem 3D-Drucker zu fertigen. Da aber so insgesamt über 170 Teile selbst gedruckt werden mussten, bedeutete dies ein nicht zu unterschätzender zeitlicher Aufwand. «Wir mussten uns daher schon relativ früh für ein Design entscheiden – und trotzdem wurde der Endspurt denkbar knapp. Wir wurden genau zwei Tage vor dem Wettbewerb fertig mit dem gesamten System», sagt Michael Schätzel.

Am Wettbewerbswochenende vom 28. und 29. Mai 2022 im Europapark in Rust klappte aber alles reibungslos. Die Jury, bestehend aus einer Vertreterin aus Frankreich sowie aus je einem Vertreter aus Deutschland und der Schweiz, wählte aus den 11 Projekten «Eye-Catcher» zum Gewinner und überreichte dem Team den Preis von 1500 Euro.

Schon zu Beginn des Projekts hat das Team entschieden, ein mögliches Preisgeld der medizinischen Forschung zu spenden: denn im Gespräch mit der Neuropsychologin Anaïs Do Carmo erfuhren die drei angehenden Ingenieure, dass die bei der neurologischen Reha eingesetzten Werkzeuge veraltet und nicht auf die individuellen Bedürfnisse der Patienten anpassbar sind.

Die 1500 Euro spendeten Farnworth, Kindt und Schaetzel an die Herzstiftung Schweiz, die Forschungsprojekte in den Bereichen Herzkrankheiten und Hirnschlag unterstützt. Die Wahl hat einen traurigen Grund: «Einer unserer Dozierenden verstarb in der Woche vor dem Wettbewerb unerwartet an einem Herzstillstand. Wir haben das Preisgeld daher in seiner Erinnerung gespendet.»  

Das Team freut sich über den ersten Platz am Trinatronics-Wettbewerb. V.l.n.r.: Morgan Farnworth, Michael Schaetzel, Prof. Dr. Robert Alard und Michiel Kindt.

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