Ab Herbst 2019 lassen sich die ersten Bachelor-Studierenden zu Data Scientists an der FHNW ausbilden. Dabei werden sie erstmals nach einem völlig neuen Ausbildungskonzept studieren. Entwickelt wurde es von Projektleiterin Dr. Norma Graf und ihrem Team.
Norma Graf, warum braucht es Data Scientists?
Durch die Digitalisierung des Alltags stehen uns vermehrt grosse Datenmengen zur Verfügung. Das ist eine Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft: Einerseits eröffnet der Zugang zu all diesen Daten zahlreiche neue Möglichkeiten, um nützliches Wissen zu extrahieren. Andererseits reichen klassische statistische Analysemethoden nicht mehr aus, um diese Datenflut zu bewältigen. Dazu braucht es Data Scientists.
Wurden Sie auch persönlich mit dieser Herausforderung konfrontiert?
Als Materialwissenschaftlerin forschte und arbeitete ich im Bereich der biomedizinischen Technik, beispielsweise in der Entwicklung von Stents, die Blutgefässe im Herzen offenhalten. Ein wichtiges Element dieser Arbeit war das Aufspüren von Fehlern in der Produktionskette, die sogenannte «Root Cause Analysis». Wir gingen damals sozusagen «von Hand» durch die Daten, um Fehler aufzuspüren. Tatsächlich stehen aber zahlreiche gute Methoden aus dem Repertoire von Data Scientists zur Verfügung, die einem helfen, auf Fehlermuster aufmerksam zu werden. Ein Stichwort ist hier beispielsweise «Machine Learning».
Wie wird man als Materialwissenschaftlerin zur Projektleitern eines Informatik-Studiengangs?
Ich interessiere mich sehr für verschiedene Ausbildungs- und Lernformen. Und das stand auch am Ursprung des neuen Studiengangs. Während einer Klausur der Hochschule für Technik FHNW kam die Idee auf, ein neues, auf die Digitalisierung des Alltags angepasstes Ausbildungskonzept zu erarbeiten. Wir leben in einer vernetzten Welt. Menschen haben andere Bedürfnisse und Ansprüche an eine Ausbildung. Wissen ist freier zugänglich. Diese Elemente in ein neues Ausbildungskonzept zu integrieren, hat mich an der Aufgabe gereizt.
Wie sind Sie dabei vorgegangen?
Unser Team hat von Anfang an eng mit Vertretern der Wirtschaft, der pädagogischen Forschung und unseren Studierenden zusammengearbeitet und dabei die verschiedenen Ideen erfasst. Daraus haben wir anschliessend ein Konzept destilliert.
Zur Person
Dr. Norma Graf war als Projektleiterin für die Entwicklung des neuen Ausbildungskonzepts für den Studiengang Data Science verantwortlich. Sie hat Materialwissenschaften an der ETH Zürich studiert und hat danach in der Medizinaltechnik gearbeitet.
Was genau ist neu an diesem Ausbildungskonzept?
Oft werden einem in der Schule Antworten auf Fragen gegeben, die man nie gestellt hat. Unser Ausbildungskonzept stellt diesen Lernprozess vom Kopf zurück auf die Füsse. Wir stellen zuerst die Frage, dann kommen die Antworten. Dies geschieht individuell, denn nicht alle haben die gleiche Ausgangslage oder die gleichen Ziele. Die Kompetenzen können die Studierenden deshalb je nach Lerntyp, Zeit und Interessen individuell erwerben. Das Studium passt sich dem Menschen an.
Wie soll das konkret geschehen?
Die Studierenden lernen nicht nach disziplinären Modulen sortiert, sondern in interdisziplinären «Challenges» und Projekten. Sie arbeiten das ganze Studium an ihrem individualisierbaren Kompetenzportfolio. Zudem nutzen wir digitale Werkzeuge wie E-Learning, Online-Ressourcen oder eine virtuelle Bibliothek. So können sich die Studierenden orts- und zeitunabhängig ganz nach ihrer Geschwindigkeit mit den Inhalten auseinandersetzen. Dabei unterstützen und begleiten wir sie persönlich.
Also ein Fernstudium?
Nein, kein Fernstudium, sondern ein personalisiertes Studium. Wir sind überzeugt, dass Lernen ein sozialer Prozess ist. Teamarbeiten und der Einbezug von Fachexpert*innen von aussen sind deshalb ein fundamentaler Pfeiler unserer Ausbildung.
Nach rund 18 Monaten Vorbereitung beginnen im Herbst die ersten Studierenden ihr Studium. Was ist Ihre Zwischenbilanz?
Ich bin sehr zufrieden und froh über das grosse Interesse an unserem Studiengang. Wir konnten 30 interessante Menschen im Alter zwischen 19 und 52 mit unterschiedlichsten Hintergründen von Philosophie bis Management für das Studium gewinnen. Eine Rückmeldung, die wir oft erhalten haben, war: «So hätte ich auch gerne studiert». Das zeigt mir, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Das Team des Studiengangs Data Science:
- Norma Graf, Studiengangleiterin a.i.
- Rocco Custer: Curriculum
- Monika Schlatter: neue Lernformen
- Myriam Corsellini: Koordination
- Petra Brengard: navigate!
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