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Digitale Transformation

Additive Manufacturing: Eine Innovation in Schichten

Glaubt man den Medien, werden bald die meisten Industrieprodukte mit Additive Manufacturing fabriziert. Dabei wird die Technologie oft überschätzt – und gleichzeitig unterschätzt.

Menschliche Organe, Autos oder Lebensmittel: Das alles soll in Zukunft mit dem 3D-Drucker hergestellt werden. So zumindest schreiben es die Medien. Die Tatsache, dass sich jeder Technik-Enthusiast zuhause einen Hobby-3D-Drucker leisten kann, scheint diesen Trend zu bestätigen. Doch die Gegenwart sieht anders aus: Im Alltag spielen Produkte aus dem 3D-Drucker keine Rolle. 3D-Druck – oder Additive Manufacturing wie es professionell genannt wird – ist für die Schweizer Industrie nach wie vor eine Nischentechnologie.

Ist der 3D-Druck also nur ein Medien-Hype? «Ja und nein», meint Professor Kaspar Löffel von der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW, «Laien habe oft falsche Vorstellungen, was der kommerzielle Nutzen von 3D-Druck ist». Der Dozent für technische Mechanik forscht seit 10 Jahren zum Selective Laser Melting SLM – der weitverbreitetsten Methode des metallischen 3D-Drucks. «Natürlich könnte man ein ganzes Auto drucken, aber macht das wirtschaftlich Sinn?»

Die Industrie braucht beim Einsatz einer neuen Technologie einen Business Case, also ein Geschäftsmodell, das rentiert. Das sieht Löffel beispielsweise im Ersatzteilemarkt für bestehende Maschinen. Anstatt sich lange zu gedulden für ein teures Ersatzteil, lässt man das Bauteil einfach drucken. Zum Beispiel einen sogenannten Impeller: Das ist ein Propeller, der von einem ring- oder röhrenförmigen Gehäuse umschlossen ist. Das Bauteil kommt meist in Pumpen zum Einsatz. Ist es beschädigt, steht die Pumpe so lange still, bis ein Ersatzteil gefunden ist. Das kostet Geld.

Complexity for free

Den grösseren Business Case des Additive Manufacturing sieht Löffel aber in einem anderen Bereich: «Mit dem 3D-Druck können wir Bauteile herstellen, die mit konventionellen Methoden nicht möglich wären». Während beim Giessen Hohlräume und schwierige Strukturen nur mit viel Aufwand möglich sind, können mit Additive Manufacturing komplexe Geometrien ohne zusätzli-chen Produktionsaufwand hergestellt werden können. «Complexity for free» nennt die Fachwelt diesen Vorteil.

Das bekannteste Beispiel eines solchen Produkts ist die Einspritzdüse für die Leap-Triebwerke. Stellte GE Avation diese Flugzeug-Bauteile bisher aus etwa 20 verschiedenen Teilen her, konnte sie durch Additive Manufacturing die Einspritzdüse aus einem einzigen Teil anfertigen. Durch das neue, komplexere Design mit Hohlräumen ist die Düse 25 Prozent leichter als ihre konventi-onelle Vorgängerin. Damit spart die Fluggesellschaft über eine Million Dollar in Kerosin pro Flugzeug pro Jahr ein.

Der im SLM-Verfahren gedruckte Impeller ist nach wenig Nachbearbeitung einsatzbereit..e Manufacturing
Der im SLM-Verfahren gedruckte Impeller ist nach wenig Nachbearbeitung einsatzbereit. (Foto: Sandro Nydegger)

Die Komplexität kommt aber nicht ganz gratis, wie es das Schlagwort «Complexity for free» glaubhaft machen will. Denn das Design eines komplexen Bauteils wie einer Einspritzdüse bedarf einem völlig neuen Designverständnis. Beispielsweise sind überhängende Konstruktionen ohne Stützstrukturen nicht möglich. Gefragt ist darum ein sogenanntes «Bionisches Design», das mit weniger rechten Winkeln und mehr organischen Formen auskommt. «Giessen ist eine Technologie mit tausendjähriger Erfahrung», sagt Kaspar Löffel, «im Vergleich dazu steckt der 3D-Druck oder das Bionische Design noch in den Kinderschuhen».

Grosses Potential für die Schweiz

«Additive Manufacturing ist eine wissenslastige Technologie», sagt Kaspar Löffel. Genau darin sieht er das Potential für die Schweiz: «Unsere Ingenieurinnen und Ingenieure lernen bereits im Studium, was bionisches Design ist. Sie sind bestens vorbereitet für Additive Manufacturing». An der Hochschule für Technik FHNW profitieren die Studierenden vom Know-how des Instituts für Produkt- und Produktionsengineering, das die Prozesskette, das Design und die Herstellung von Bauteilen mit SLM untersucht. Trotzdem: Etablierte Technologien wie das klassische Giessen von Metall sind wegen dem 3D-Druck nicht tot. «Additive Manufacturing ist eine ergänzende Technologie zu den bestehenden Methoden», erklärt Löffel. Eine Technologie, die nicht gleich morgen aber Schicht für Schicht die Welt verändert.

SLM

Was ist SLM?

Selective Laser Melting – kurz SLM – ist eine Methode der additiven Fertigung. Dabei wird Metallpulver in einer dünnen Schicht auf einer Grundplatte aufgebracht und mittels Laserstrahlung lokal vollständig geschmolzen. Anschliessen wird die Grundplatte gesenkt und eine neue Pulverschicht aufgetragen. Der Prozess wiederholt sich Schicht für Schicht solange, bis das fertige Bauteil da ist.

Über Digital Bytes

Digital Bytes ist der Wissenschaftsblog der Hochschule für Technik FHNW. Hier publizieren wir die interessantesten Ergebnisse aus unserer Forschung und Ausbildung und lassen unsere Expertinnen und Experten zu Wort kommen.

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