Kollaborative Roboter oder kurz Cobots kommen zunehmend bei kleineren und mittleren Unternehmen zum Einsatz. Im Interview erklärt Prof. Dr. Thomas Besselmann wie sich kollaborative Roboter im Alltag bewähren.
Mit der Entwicklung von Cobots sind derzeit grosse Erwartungen verknüpft. Welche Rolle nimmt sie in der wissenschaftlichen Arbeit an Ihrem Institut ein?
Thomas Besselmann: Unser Institut beschäftigt sich mit unterschiedlichen Aspekten der Automatisierung. Wir nutzen unsere Expertise, um für KMU passende Lösungen für ihre Probleme bei der Automatisierung zu entwickeln. Die Robotik verstehen wir dabei als Werkzeug, um Prozesse zu automatisieren. In der Robotik steht umsatzmässig nach wie vor die Sparte der klassischen Industrieroboter im Vordergrund. Uns interessiert die Frage, in welchen Situationen Cobots einen Vorteil gegenüber den Industrierobotern haben. Um diese Frage zu untersuchen, haben wir einen Cobot Typ «Panda» von Franka Emika angeschafft, der unter anderem in einer Bachelor-Arbeit verwendet wurde.
Wie arbeitet es sich mit einem Cobot?
Das Modell, für das wir uns entschieden haben, lässt sich sehr einfach steuern. Die Bewegungen werden per App über den Webbrowser programmiert. Es ist keine Zeile Code notwendig, um diesen Roboter bedienen zu können. Er kann also nicht nur von Programmierern benutzt werden, sondern auch von Produktionsmitarbeitern. Das halte ich für noch wichtiger als die Sicherheitsstandards, auf die im Zusammenhang mit Cobots verwiesen wird.
Häufig beobachten wir bei Industriepartnern, dass sie einen kollaborativen Roboter kaufen, ihn jedoch getrennt von den Mitarbeitern einsetzen. Der Grund, warum sie trotzdem keinen Industrieroboter nutzen, ist häufig, dass der Cobot einfacher zu programmieren ist.
Für welche Anwendungen ist der Cobot prädestiniert?
Kollaborative Roboter eignen sich für einfache Aufgaben, die häufiger umprogrammiert werden müssen. Das bedeutet im Wesentlichen, dass sie nicht mehrere tausend Mal die gleiche Bewegung ausführen, sondern vielleicht nur hundert Mal. Für kleinere Losgrössen, mit denen es KMU zu tun haben, sind Cobots auf jeden Fall interessant. Sie können auch mal über Nacht laufen und am nächsten Tag eine komplett neue Aufgabe erledigen. Die häufige Umprogrammierung ist mit dem klassischen Industrieroboter nicht amortisierbar.
Pick-&-Place-Anwendungen und die Handhabung von Werkstücken sind im Grunde die hauptsächlichen Anwendungsgebiete. Häufig wird hier eine tiefere Genauigkeit toleriert. Hingegen ist es zum Beispiel bei Schweissarbeiten sehr wichtig, dass die Bahn genau abgefahren wird. Dort wie auch bei der Geschwindigkeit sind dann wieder die Industrieroboter im Vorteil.
Welche Komponenten stellen sicher, dass sich Mitarbeiter und Cobot nicht in die Quere kommen?
Der Cobot Typ «Panda» von Franka Emika verfügt an jedem Gelenk über Drehmoment-Sensoren. Diese Sensoren messen die Belastung der Gelenke. Wenn der Cobot beispielsweise eine Person berührt, baut sich in den Gelenken Druck auf, was wiederum von den Drehmoment-Sensoren aufgezeichnet wird, und der Roboter hält an. So kann sichergestellt werden, dass die Kollaboration immer sicher vonstatten geht. Ausser dem Drehmoment-Sensor gibt es noch weitere Sicherheitskonzepte wie z.B. Kamerasysteme, die optisch überprüfen, ob sich etwas im Arbeitsbereich befindet.
Digitalisierung, Vernetzung und IoT sind die grossen Trendthemen. Wie trägt ihr Projekt mit dem Cobot dazu bei, diese Entwicklungen in KMU zu unterstützen?
Unser Projekt ist in der Automatisierung hilfreich, die ein Teilaspekt der Digitalisierung ist. Ein grosser Vorteil der Cobots ist, dass sie dazu beitragen, die Produktion mit kleineren Losgrössen flexibler zu gestalten. Hersteller in allen Sparten müssen darauf reagieren, dass ihre Kunden immer adaptivere Lösungen wünschen, was dazu führt, dass die Losgrössen kleiner werden. Darüber hinaus sehen wir bei der Zusammenarbeit mit unseren Industriepartnern zwei weitere gewünschte Anforderungen. Die eine ist die Automatisierung von einfachen sich wiederholenden Prozessen. Die zweite ist das Vereinfachen von Aufgaben. Die Industrie will wie erwähnt häufig Roboter, die einfacher zu programmieren sind.
Wie beurteilen Sie die Umsetzung der Trendthemen in der Automatisierung in der Schweiz?
Ich bin beeindruckt, wie weit die Schweizer Firmen auf diesem Gebiet sind und wie innovationsfreudig und auch durchsetzungsstark sie auf dem Markt agieren. Die Unternehmen gehen auch mal mutige Wege.
Cobots wecken andererseits auch Vorbehalte. Zum Beispiel, wie viele Arbeitsplätze durch die Entwicklung überflüssig werden – braucht es in zehn Jahren noch Menschen, die arbeiten?
Das ist eine sehr interessante Frage. Der Ökonom John Maynard Keynes sagte 1930 voraus, dass im Zuge der technischen Entwicklung der Reichtum der Menschen grösser wird und dass die Leute aufgrund des geschaffenen Wohlstands Jahr für Jahr weniger arbeiten müssen. Bis Ende der siebziger Jahre stimmte diese Vorhersage, aber seitdem hat sich das Blatt gewendet und die Arbeitszeiten begannen wieder zu steigen.
Jetzt kann man sich natürlich fragen, wo wir falsch abgebogen sind, denn dieser Trend hält an. Und es ist wirklich eine wichtige Frage, wo die Gesellschaft da eigentlich hintreibt. Ich persönlich würde es begrüssen, wenn die Menschen es sich leisten könnten, weniger zu arbeiten. Ich glaube, das ist ein Ziel, das wir verfolgen sollten.
Kürzlich «moderierte» eine Roboterdame eine Bühnenshow in Asien. Wie denken Sie darüber?
Es ist immer wieder beeindruckend zu sehen, was durch die Arbeit eines spezialisierten Forscherteams erreicht werden kann. Jedoch sollte man diese Ergebnisse eher als Leuchtturmprojekte sehen. Die in der industriellen Praxis eingesetzten Roboter unterscheiden sich sehr stark von den in den Medien gerne gezeigten sozialen Roboter. Und auch die sozialen Roboter, die man gegenwärtig kaufen kann, reichen lange nicht an die Fähigkeiten heran, die von den Forschergruppen mit viel Aufwand erreicht werden.
Wie beurteilen Sie den Arbeitsmarkt für Programmierer und Spezialisten?
Unsere Absolventen haben hervorragende Chancen auf dem Arbeitsmarkt, die Berufsaussichten für Systemtechniker und Automationsspezialisten sind nach wie vor sehr gut. Das ist nun aber nicht grossartig anders als vor 20 Jahren, denke ich.
Das Interview führte Markus Frutig.
Dieses Interview wurde anlässlich der Messe «Automation Electronics» 2019 in Zürich geführt und erschien in der Fachzeitschrift «Technik und Wissen».
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